So entwickeln sich gesunde Kinder
- Cem Tanriover
- Sep 6, 2024
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Betrachten Sie sich nun genauer die Beispiele einer individuellen Entwicklung bei drei Kindern aus der Tübinger Studie, in der 100 Kinder von Geburt an in zwei Kinderarztpraxen in ihrer Entwicklung begleitet wurden. Die Eltern hatten die Bewegungsentwicklung ihrer Kinder nach einem vorgegebenen Schema protokolliert und das Alter angegeben, in der der jeweilige Entwicklungsschritt sicher und selbstständig rlernt worden war. Der Entwicklungsstand und die Protokolle wurden in den Praxen noch einmal mit den Eltern besprochen und nachgeprüft. Die drei Abbildungen basieren auf dem Schema der Entwicklung der Körpermotorik (Körperbewegungen), das auf dem linken Rand des Bildes mit 10 Symbolen dargestellt ist (von unten nach oben):
Umdrehen von Bauchlage in die Rückenlage
freies, sicheres Sitzen
Hochkommen vom Liegen zum Sitzen
Robben
Krabbeln
Hochziehen zum Stehen
Stehen mit Festhalten
Gehen mit Festhalten
freies, sicheres Gehen

Am unteren Rand ist, von links nach rechts, das Alter in Monaten angegeben, in dem ein Kind ein bestimmtes Ziel seiner Bewegungsentwicklung erreicht hat.
Beispiel: Lilli
In der Abbildung unten verläuft die Entwicklung von Lilli, wie es nach dem Reifekonzept zu erwarten ist.
Schritt für Schritt hat Lilli das freie Gehen erlernt. Kein Schritt wurde ausgelassen, einer erfolgte immer nach dem anderen, allerdings wurden von Lilli das Hochziehen zum Stehen und das Stehen mit Festhalten zur selben Zeit, am Ende des 11. Lebensmonats, erlernt.
Beispiel: Jan
Jan dagegen (Abb. → S. 18) hat zwischen dem 7. und 8. Lebensmonat sozusagen nebeneinanderher sechs Entwicklungsziele erreicht: freies Sitzen, Hochkommen zum Sitzen, Kriechen, Krabbeln, Hochziehen zum Stehen, Stehen mit Festhalten.
Beispiel: Kathie
Einen ganz anderen Verlauf ihrer Entwicklung zeigt Kathie (Abb. → S. 18) Wie Sie nun schon selbst sehen können, verläuft ihre Entwicklung im motorischen Bereich fast „chaotisch“, wenn die Regeln eines Reifekonzeptes zugrunde gelegt werden. Von einem „Schritt-für-Schritt-Ablauf“ der Entwicklung kann keine Rede mehr sein.
Die weitere Entwicklung dieser Kinder
Alle drei Kinder blieben in ihrer weiteren Entwicklung bis zum Schulalter unauffällig. Von den 100 Kindern der Studie hatten 25 Prozent einen Entwicklungsverlauf, wie er hier von Lilli beschrieben wurde. Die anderen 75 Prozent zeigten Verläufe ähnlich denen von Jan und Kathie, also Verläufe, die mit einem Reifeprozess nicht mehr zu erklären sind.
Etwa 15 Prozent der Kinder haben während ihrer motorischen Entwicklung die Schrittfolge des Kriechens und/oder des Krabbelns nicht durchlaufen, was auch in anderen Studien gefunden wurde. Die Entwicklungsschritte des Kriechens und Krabbelns wurden von diesen Kindern einfach übersprungen, ohne dass sie Schaden an ihrer motorischen Entwicklung genommen hätten. Später, nachdem sie frei gehen gelernt hatten, konnten sie auch sicher und flink krabbeln, sobald sie auf dem Boden spielten und sich dort schnell fortbewegen wollten, ohne erst wieder eine senkrechte Stellung zum Gehen einzunehmen. Jedoch als entscheidende Schritte für ein korrektes Bewegungserlernen waren offenbar die Entwicklungsschritte Kriechen und Krabbeln nicht von fundamentaler Bedeutung.
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